Provenienzforschung in der Bibliothek des Dokumentationszentrums
Seit Oktober 2023 widmet sich die Bibliothek des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors in einem vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) geförderten Projekt der Ermittlung von NS-Raubgut in ihrem Buchbestand.
Provenienzforschung
Provenienzforschung (Herkunftsforschung) hat zum Ziel, die Geschichte eines Objekts – beispielsweise eines Gemäldes, einer Skulptur, eines Möbels oder eines Buches – zu rekonstruieren. Dies geschieht anhand von Zugangsbüchern, Kaufunterlagen und anderen Dokumenten sowie nicht zuletzt mithilfe von Provenienzhinweisen in oder an dem untersuchten Objekt selbst, wie Stempeln, Autogrammen oder Nummern.
Im Kunstbereich, aber auch bei alten Schriften wird seit Jahrzehnten Provenienzforschung betrieben. Wenn heute von Provenienzforschung gesprochen wird, geht es jedoch meist darum, in den Beständen von Museen und Bibliotheken Objekte aus Unrechtskontexten zu identifizieren. Im Falle Deutschlands sind dies die Kolonialzeit, die Herrschaft der Nationalsozialisten sowie die Entziehung von Eigentum während der Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone und durch die Deutsche Demokratische Republik.
Gerade das nationalsozialistische Deutschland bereicherte sich in großem Stil am Eigentum der Menschen und Institutionen, die es verfolgte: jüdische Gemeinden, Organisationen und Privatleute, Freimaurerlogen, politische Gegner, Gewerkschaften, Klöster und andere Personen und Körperschaften im In- und besetzten Ausland.
1998 unterschrieben 43 Staaten und 13 nicht-staatliche Organisationen eine Selbstverpflichtung, diesem Raubgut nachzuspüren (Washingtoner Prinzipien). Für Deutschland bekräftigten Bund, Länder und regionale Spitzenverbände im folgenden Jahr noch einmal, „nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte und faire Lösung zu finden“ (Gemeinsame Erklärung).
Als zentrale Koordinierungs- und Förderstelle von Provenienzforschungsprojekten entstand 2015 schließlich das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg. Es veröffentlicht in der Lost Art-Datenbank Such- und Fundmeldungen – auch zu Kriegsverlusten – und betreibt mit Proveana zudem eine Forschungsdatenbank.
Aktuelles Projekt
Im Rahmen des vom DZK geförderten Projekts untersucht nun auch die Stiftung Topographie des Terrors den Bestand ihrer Bibliothek auf in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut (NS-Raubgut).
Zwar handelt es sich bei der wissenschaftlichen Spezialbibliothek des Dokumentationszentrums um eine vergleichsweise junge Einrichtung, die nicht direkt von Raubgut profitierte. Allerdings befinden sich auch in ihrem Bestand etwa 8.000 Bücher, die vor 1946 publiziert wurden und durch Überlassungen anderer Bibliotheken, Schenkungen und Nachlässe von Privatpersonen, Dubletten-Tausch und antiquarische Zukäufe in ihren Besitz gelangt sind – Wege, über die nicht selten auch Raubgut nach 1945 seinen Besitzer wechselte.
Die Stiftung Topographie des Terrors ist Mitglied der Kooperation Looted Cultural Assets (LCA), einem Zusammenschluss mehrerer deutscher Bibliotheken zur gegenseitigen Unterstützung bei der Recherche zu und der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Büchern an die Erben*innen und Rechtsnachfolger*innen der ehemaligen Eigentümer*innen. Rechercheergebnisse zu den untersuchten Objekten, einzelnen Hinweisen, Personen und Körperschaften werden fortlaufend in eine gemeinsam betriebene und öffentlich einsehbare Datenbank eingestellt und aktualisiert. Raubgutverdächtige Bücher werden darüber hinaus in der Lost Art-Datenbank verzeichnet und im Bibliothekskatalog kenntlich gemacht.
Die Ergebnisse des Projekts, das zunächst bis zum Sommer 2025 befristet ist, werden abschließend in einer Publikation vorgestellt.